Зодчество Древней Руси
In den altrussischen Städten waren vorwiegend Handwerker ansässig, deren Kunstfertigkeit bei den Zeitgenossen und auch bei der Nachwelt Bewunderung erregte. In einem französischen Epos ist von den Wunderwerken der Meister des herrlichen Rußland die Rede. Der deutsche Gelehrte Theophilus (11. Jh.) erklärt in seinem Traktat „Schedula diversarum artium", daß sich unter den Ländern Europas und des Orients gerade Rußland durch Kunstwerke von vortreffiicher Qualität und Mannigfaltig keit auszeichne, insbesondere durch Email auf Gold und Niellen auf Silber. Altrussische kunsthandwerkliche Gegenstände wie Hausrat und Waffen wurden in andere Länder ausgeführt. Eine Vorrangstellung nahm unter den Künsten des alten Ruß land die Architektur ein. Schon in der Frühzeit seiner historischen Existenz trat die große baukünstlerische Begabung des russischen Volkes in Erscheinung, was von Reisenden, Gelehrten und Ge sandten jener fernen Zeit immer wieder hervorgehoben wurde. Staunend schrieben sie, daß es in Rußland ungewöhnlich viele Städte gäbe. Darum nannte man das damalige Rußland Gardarike - Land der Städte. Im 11. Jahrhundert erklärte der Kiewer Fürst Oleg die Stadt Kiew zur Mutter der russischen Städte, was ebenfalls von der Vielzahl der Städte zeugt. Die krasse soziale Ungleichheit der Klassen im altrussischen Feudalstaat fand ihre Widerspiegelung in der Architektur - so in dem ungeheuren Kontrast zwischen den Monumental bauten der herrschenden Klassen und den Behausungen der ein fachen Städter oder Bauern. Aus wenig haltbarem Material gebaut, sind diese fast restlos verschwunden, weshalb wir die mittelalterliche Architektur hauptsächlich von den Steinbauten, in der Mehrzahl Sakralbauten, her kennen. Die russische Monumentalbaukunst des 11. und 12. Jahr hunderts ist durch majestätisches Gepräge gekennzeichnet, das die Stärke der vereinigten russischen Macht demonstrieren soll. Selbst für die heutigen Begriffe sind Bauwerke wie die Sophien Kathedrale in Kiew (1037), die gleichnamige Kathedrale in Nowgorod (1052) und die Uspenije-Kathedrale in Wladimir (1158) von respektgebietender Größe. Um die ihnen zugrunde liegende Idee stärker zur Wirkung zu bringen, wurden die monumentalen Sakralbauten mit Fresken, Mosaiken und Steinmetzarbeiten geschmückt. Daß es möglich war, solch große, kostspielig ge staltete und sowohl künstlerisch als auch bautechnisch voll kommene Gebäude zu errichten, läßt sich nur mit jener weltweiten Rolle erklären, die damals das „Reich der Rurikiden", wie Karl Marx die Kiewer Rus nannte, gespielt hat. Die Bedeutung dieser Bauwerke beschränkte sich nicht nur auf ihren eigentlichen Zweck als Kultstätten, sie waren zugleich Orte öffentlicher Zu sammenkünfte, in denen auch Staatsakte vollzogen wurden. Die christliche Kirche (Rußland nahm 988/89 das Christentum an) stützte die bestehende Gesellschaftsordnung durch ihre Autorität. Der zentralisierte Kiewer Staat hat nur verhältnismäßig kurze Zeit bestanden. Er zerfiel im 12. Jahrhundert in einzelne Fürsten tümer: Tschernigow, Smolensk, Nowgorod, Wladimir-Susdal, Twer u. a. Die feudale Zersplitterung ist bekanntlich für die
DAS KÜNSTLERISCHE ERBE DES ALTEN RUSSLAND IST eine einmalige, mit nichts zu vergleichende Welt. Welch eine Eigenart der Formen und Maßverhältnisse, welch eine Unge bundenheit in der Anordnung von geometrischen Körpern, die uns die Baudenkmäler von Nowgorod, Pskow, Wladimir und anderen altrussischen Städten offenbaren. Aus einem gefügigen Material, nicht aber aus trägem Stein scheinen sie geschaffen! Stets kommt in den Schöpfungen der russischen Meister ihre nationale Besonderheit mit höchster Prägnanz zum Ausdruck, und sie verraten gestalterische Kunstgriffe, die sie vom Schaffen anderer Völker unterscheiden. Zeitlich gesehen liegen die Grenzen des alten Rußland zwischen dem 9. und dem 17. Jahrhundert, einem historischen Abschnitt, der reich an wichtigen Geschehnissen war. Die patriarchalische Urgemeinschaft wurde vom Feudalismus abgelöst. Der zentrali sierte Kiewer Staat zerfiel in Teilfürstentümer, von denen erst das Fürstentum Wladimir (12. Jh.) große Bedeutung erlangte und später das Fürstentum Moskau (15. Jh.), um das sich die russi schen Lande zusammenschlossen. Es vollzog sich die Heraus bildung dreier großer slawischer Völker: des russischen, des ukrainischen und des belorussischen, als Vorbedingung für die weitere Entwicklung der Kultur eines jeden. Der älteste slawische Staat, die Kiewer Rus, war um die Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert entstanden. Im 11. und 12. Jahr hundert war die Kiewer Rus zum größten und mächtigsten Staats gebilde Osteuropas geworden, das sich von den Karpaten bis zur Wolga und von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckte. Wie das Reich Karls des Großen der Entstehung Frankreichs. Deutschlands und Italiens vorausging, war der Kiewer Staat ein Vorläufer der Entstehung Rußlands, der Ukraine, Belorußlands, Litauens, Estlands, Lettlands, Kareliens und Moldauens. Nach den Worten des Metropoliten Hilarion, eines einflußreichen Mannes zur Regierungszeit des Fürsten Jaroslaws des Weisen, war Rußland an allen Enden der Welt bekannt und vernehm bar. Es stand mit den anderen Staaten Europas wie auch mit Byzanz in engen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Die materielle und die geistige Kultur der Alten Rus hatte ein hohes Entwicklungsniveau erreicht. In Kiew lebten und wirkten im 11. und 12. Jahrhundert Gelehrte, Schriftsteller und Dichter, Maler, Baumeister und Ärzte. Wie aus archäologischen Funden der letzten Jahre hervorgeht (z. B. den Nowgoroder Schriften auf Birkenrinde, 11. bis 15. Jh.), war die städtische Bevölkerung zum größten Teil des Lesens und Schreibens kundig. Ein Wesensmerkmal der altrussischen Kultur bestand darin, daß sie sich auf der Grundlage der eigenen Sprache entwickelte. In der wissenschaftlichen Literatur und in der Dichtung, im diplo matischen Schriftwechsel wie auch in privaten Briefen bediente man sich der russischen Sprache. Diese Einheit von Volks- und Staatssprache war ein großer kultureller Vorteil Rußlands gegen über vielen europäischen Staaten, in denen das dem Volke fremde Latein vorherrschte.
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